Stahlindustrie muss in schwierigem Umfeld klimaneutral werden

2022-09-24 15:40:03 By : Ms. Apple liu

Die klassische Hochofenroute hat keine Zukunft mehr.

Die klassische Hochofenroute hat keine Zukunft mehr.

Berlin Der Druck auf die europäische Stahlindustrie wächst. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen müssen die Unternehmen ihre Produktionsprozesse radikal umstellen, um den Weg zur Klimaneutralität zu bewältigen.

Noch vor 2030 muss gut ein Drittel der Primärstahlproduktion, also der Stahlherstellung im Hochofen, auf wasserstoffbasierte Verfahren umgestellt werden, damit die Branche zukunftsfähig bleiben kann. Das ist die zentrale Botschaft einer noch unveröffentlichten Analyse des Thinktanks Agora Energiewende zur Transformation der Stahlindustrie, die dem Handelsblatt vorliegt.

In Kombination mit dem Ausbau der Sekundärstahlroute, die auf dem Einschmelzen von Stahlschrott in Elektrostahlwerken basiert, eröffne sich „ein Pfad zum Aufbau einer ressourceneffizienten, klimaneutralen und unabhängigen Stahlproduktion in Deutschland“, heißt es in der Analyse.

Doch der Weg dorthin ist herausfordernd, gerade hierzulande: „Die aktuelle Krisensituation erhöht den Handlungsdruck für die europäischen Stahlunternehmen. Das gilt insbesondere für Deutschland“, sagt Frank Peter, Direktor Industrie bei Agora. Ein Großteil der Hochöfen in Deutschland sei mit Kohle und Eisenerz aus Russland betrieben worden. „Das macht aufwendige Anpassungsmaßnahmen erforderlich“, erläutert Peter.

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Aber das ist noch nicht alles: „Zusätzlich verschärfen sich die Wettbewerbsbedingungen durch steigende CO2-Preise und das Abschmelzen der kostenfreien Zuteilung von Emissionszertifikaten im Zuge der Einführung eines CO-Grenzausgleichs“, sagte Peter.

Die EU arbeitet unter Hochdruck an einem CO2-Grenzausgleich, im Fachjargon Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) genannt: Produkte, die in die EU importiert werden, werden mit einem Aufschlag belegt, dessen Höhe den europäischen CO2-Kosten entspricht.

Länder wie die USA und China sehen das kritisch.

Sie argumentieren, ein CO2-Grenzausgleich sei nichts weiter als Protektionismus und widerspreche den Regeln der WTO. Die EU will sich davon nicht beirren lassen und CBAM bereits 2023 im Testbetrieb einführen. Dieser soll zunächst auf Zement, Aluminium, Düngemittel, Strom und Stahl begrenzt werden. Rat, Kommission und Parlament ringen noch um Details.

Offen ist etwa, wie Exporte europäischer Unternehmen in Nicht-EU-Staaten unterstützt werden sollen. Im Zuge von CBAM will die EU Industrieunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, deutlich weniger kostenlose Emissionszertifikate zuteilen. Die Unternehmen müssen mehr Zertifikate erwerben und ihre Produkte daher teurer verkaufen.

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Stahlhersteller in Deutschland, etwa Thyssen-Krupp, Salzgitter oder Arcelor-Mittal, investieren bereits in Verfahren, um klimaneutral zu werden. Erst vor wenigen Tagen hatte Thyssen-Krupp eine entsprechende Investition in Aussicht gestellt.

Der Salzgitter-Aufsichtsrat wiederum hatte im Juli den Weg für die erste Phase der größten Investition des Unternehmens seit mehr als zwei Jahrzehnten freigemacht. Geplant ist der Aufbau einer CO2-armen Stahlproduktion. Das Vorhaben soll das Verfahren, die sogenannte Direktreduktion, vom Pilotmaßstab auf die großtechnische Ebene heben. Das Unternehmen benötigt damit einen Hochofen weniger.

Wenn für das Direktreduktionsverfahren klimaneutraler Wasserstoff eingesetzt wird, entsteht CO2-freier Stahl. Da klimaneutraler Wasserstoff erst mittelfristig in ausreichender Menge zur Verfügung stehen dürfte, könnten die Hersteller zunächst auch Erdgas einsetzen.

Peter hält es zwar für sinnvoll, die Direktreduktion zunächst mit Erdgas zu betreiben, weil die Infrastruktur für erneuerbaren Wasserstoff erst noch entstehen müsse. „Die hohen Erdgaspreise machen den schnellen Umstieg auf grünen Wasserstoff aber besonders attraktiv“, sagt Peter. Die Gaspreise wirkten „wie ein Transformationsbeschleuniger“.

Doch ohne Hilfe des Staates wird sich der Wandel nicht bewältigen lassen. Schon die alte Bundesregierung hatte das Problem erkannt und gemeinsam mit der Branche ein „Handlungskonzept Stahl“ entwickelt, das im Juli 2020 vorgestellt wurde. Viel passiert ist seitdem nicht, die öffentliche Förderung beschränkt sich im Wesentlichen auf Pilotprojekte.

Trotz hoher Energiepreise lassen sich die Mehrkosten der Stahltransformation der Agora-Analyse zufolge „auf deutlich unter neun Milliarden Euro senken“. Durch eine intelligente Kombination von Politikinstrumenten auf nationaler und europäischer Ebene könne grüner Stahl bereits 2035 wettbewerbsfähig sein.

Die Unternehmen warten auf den Startschuss für eine Förderung in großem Maßstab. „Wir können die gesamte Prozesskette errichten. Wir wollen bereits 2033, nicht erst 2045, die Stahlproduktion über die Hochofenroute vollständig ersetzt haben“, hatte Salzgitter-Chef Gunnar Groebler schon vor einigen Monaten gesagt.

Der Konzern fordert schnelle Entscheidungen der Politik.

Der Konzern fordert schnelle Entscheidungen der Politik.

Damit habe man den Zeitplan deutlich gestrafft. „Was wir jetzt brauchen, sind schnelle Entscheidungen der Politik für die richtigen Rahmenbedingungen“, sagte der Chef des zweitgrößten deutschen Stahlherstellers.

>> Lesen Sie hier: Hohe Energiekosten: Diese Branchen wollen ihre Preise weiter erhöhen

Frank Peter teilt die Forderungen der Branche. Als Mittel der Wahl für die Förderung durch die Politik gelten Klimaschutzverträge, im Fachjargon Carbon Contracts for Difference (CCfD) genannt. Mit solchen Verträgen verpflichtet sich die öffentliche Hand gegenüber Unternehmen, bei Investitionen in neue, klimaneutrale Verfahren die Mehrkosten gegenüber Investitionen in konventionelle Technik sowie die zusätzlichen Ausgaben des laufenden Betriebs zu übernehmen.

„In dieser herausfordernden Transformationsphase sind Klimaschutzverträge für die Unternehmen von zentraler Bedeutung“, sagt Peter. Darum sei es wichtig, dass das Bundeswirtschaftsministerium zeitnah erste Ausschreibungen organisiere, um konkrete Investitionen anzuschieben.

„Auch die EU-Kommission muss rasch agieren. Im Idealfall lassen sich die nationalen und europäischen Politik- und Förderinstrumente für den Aufbau und den Betrieb klimafreundlicher Anlagen zur Stahlproduktion kombinieren“, sagt Peter. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte auf Anfrage mit, man schreibe aktuell die Förderrichtlinie zu einem Programm für die Klimaschutzverträge und rechne damit, „dass die ersten CCfDs mit der Stahlindustrie Anfang 2023 abgeschlossen werden können“.

Agora Energiewende hat mit der jetzt vorliegenden Analyse die im September vergangenen Jahres vorgestellte Studie zur Transformation der Stahlindustrie aktualisiert. Sie war in Zusammenarbeit mit Beteiligten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Ministerien entstanden und soll als eine Art Roadmap für den Transformationsprozess der Branche dienen.

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So ein Unsinn was dieser Frank Peter von AGORA erzählt, die Erze kommen aus Schweden, Südamerika und Afrika. Die metallurgische Kohle kommt aus Australien, Kanada und USA. So gut wie nichts kommt aus Russland für die deutsche Stahlindustrie! Eventuell für die voestalpine.

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