Stahlarbeiter - WILD AND DOG

2021-11-17 12:36:40 By : Ms. Snow Wang

Daniel Jeremiah Boll hat Hände, die jede Hausfrau beneiden würde. Er hält den Messerrohling in der bloßen rechten Hand und zieht die Klinge langsam über das zischende Band des Schleifers. Die Funken fliegen, der Messerstahl wird immer heißer und leitet die Hitze direkt in Bolls Handfläche. „Ich muss bis zu siebzig oder achtzig Grad aushalten, wenn es darüber hinausgeht, fängt der Rohling an, direkt auf der Haut zu stechen. Dann muss ich kurz aufhören. Eine gute Kontrolle übrigens, denn sonst würde die Klinge schnell zu heiß und verformt sich. „Der Mann brauchte keine Topflappen, um glühende Schüsseln aus dem Ofen zu holen. Seine Haut an seinen Handflächen scheint sich jeden Tag zu erneuern.

„Man gewöhnt sich mit den Jahren daran“, sagt Boll. Er begann seine Messerlehre spät. „Ich habe 16 Jahre lang als Berufsmusiker in einer Band gespielt, Funk und Rock, am Schlagzeug. Damals lebte ich auf einem Bauernhof im Schwarzwald, aber irgendwann hatte ich genug von meinem Einsiedlerdasein. „Boll interessierte sich schon früh für Messer und begann schließlich mit 34 Jahren eine Lehre bei Wolf Borger. Nach einem Jahr wechselte er zu Stefan Trittler und nach weiteren zwei Jahren wurde er gelernter Messerschmied. Boll machte sich dann in Solingen selbstständig und schmiedet in einem alten Brauerei-Pumpenhaus alles – vom Taschenmesser bis zum Kurzschwert.

"Beim Jagdnicker hat sich die Klingenform über Jahrhunderte bewährt, warum sollte ich sie ändern?" Die Messer sind aus niedrig legiertem Wolframstahl (Werkstoffnummer 1.2516, 1.2519, 1.2550) geschmiedet. Es ist besonders abriebfest und schnittfest, aber leider rostanfällig. Aber wenn Sie täglich mit Bolls Jagdnicker arbeiten und die Klinge ab und zu ölen, gibt es keine Probleme mit Rost. Wer das Messer jedoch längere Zeit beiseite legt, sollte es außerhalb der Lederscheide aufbewahren, da die Tannine sonst den Stahl angreifen. Boll: „Ein feines Verfahren, das die Klinge mit der Zeit stumpf macht.“ Den hochwertigen Industriestahl für seine Messer kauft er bei einem kleinen Stahlhändler in Solingen. "Ein Kilo Stahl kostet rund sieben Euro."

15 bis 50 Stunden arbeitet Boll an einem Nicker, je nachdem, wie zufrieden er mit der Klingenschneide ist und wie aufwendig der Griff gestaltet ist. Zuerst muss der Rohling aus der Stahlplatte geschnitten werden. "Säge die Messerschablone oben und drum herum, das war's." Dazu verwendet er eine alte Bügelsäge. Mit einem feinen Bohrer, der wie ein riesiges Mikroskop aussieht, werden drei Löcher für die Griffe gebohrt - diese werden aber erst am Ende aufgesetzt, wenn der Schnitt fertig ist.

Boll nimmt eine lange, schwarze Zange, greift nach dem Rohling und öffnet den Deckel des Härteofens. Es wird heiß, rote Glut glänzt ihm ins Gesicht, schnell legt er den Rohling hinein und schließt den Deckel. Der Ofen hat 820 Grad.

"Das Messer bleibt fünf Minuten hier drin." Dann wird es mit einer Zange wieder aus der Glut gezogen und in einem schmalen, hohen Eisenbehälter gehalten. Der Rohling wird wie ein Frühstücksei abgeschreckt. Es zischt und dampft und riecht nach verbranntem Öl. „Ein Wasserbad wäre dem glühenden Stahl nach dieser Hitze zu heiß, er würde reißen. Ich verwende normales Sonnenblumenöl, es schadet dem Stahl nicht. Und die Dämpfe sind nicht krebserregend. "

Nach dem Abschrecken ist der Stahl noch spröde und hart und würde bei Belastung wie Glas brechen. Das sogenannte Tempern soll ihn nun elastisch machen. Boll geht zum Backofen – „Das reicht“, sagt er – und stellt ihn auf 200 Grad. Klappe öffnen, Messer auf den Rost legen, Klappe schließen. Der Stahl muss dreimal 45 Minuten im Ofen bleiben. In den Pausen dazwischen wird er im Wasserbad abgeschreckt. Der Messermacher: „Der Stahl ist jetzt schon lange nicht mehr so ​​heiß. Und in diesem Fall bringt der Stoß die Elastizität mit, die für die Stabilität der Schneide entscheidend ist. Außerdem verhindert das Abschrecken eine Sprödigkeit, wodurch der Stahl nicht mehr funktioniert. „Wenn das Messer die drei Saunen im Küchenherd gemeistert hat, ist die Klinge zum Schärfen bereit. Boll schaltet den Bandschleifer ein, nimmt den Rohling in die bloße Hand und die Klinge tanzt funkensprühend über das Band.

Ab und zu taucht er den heißen Rohling in Wasser, damit er kühl bleibt, sonst würde der Stahl ausbrennen und seine Härte verlieren. Dann werden die Stähle braun und bläulich – und der Rohling kann weggeworfen werden. Für die Grob- und Feinabstimmung benötigt er mindestens eineinhalb Stunden. Boll: "Die Klinge soll möglichst präzise sein."

Erst wenn er mit seiner Arbeit zufrieden ist, wird die Klinge auf ihre Schärfe geprüft. Ein Sisalhanfseil wird hundertmal von oben nach unten durchtrennt. Dann wird die Klinge mit einem Hammerschlag in einen zehn Millimeter dicken Kupferstab getrieben. „Es ist in etwa vergleichbar mit dem Lockenwiderstand eines Wildschweins“, sagt Boll. Bei diesem Härtetest darf sie nicht umknicken oder ausbrechen. Hat der Nicker den Boll-Klingentest unbeschadet bestanden, ist das Finish an. „Bisher wurde das Messer immer quer zur Klinge geschärft. Jetzt bekommt es seine Längspolitur. Das glättet die Klinge, macht die Oberfläche sauber und sieht einfach besser aus. „Erst dann legt Boll die Griffe an.

Holzgriffschalen findet er nicht optimal. „Am stabilsten ist das Holz, wenn man es am Baum lässt. Ich verwende Material, das unsere Vorfahren bevorzugt verwendeten: Hirschhorn, Zähne oder andere starke Knochen. „Zum Beispiel Giraffenknochen vom Oberschenkel oder Schienbein, die sehr fettig und elastisch sind, weil sie viel Knochenmark enthalten. Elefantenelfenbein sieht hübsch aus, aber es reißt zu leicht, ähnlich wie Ebergewehre. „Mammut ist robuster, es ist zwischen 10.000 und 30.000 Jahre alt und liegt schon ewig im Eis. Das Material ist leicht zu greifen; fast jeder zweite Russe handelt mittlerweile damit. "

Boll zeigt auf ein braunes, rundes Stück, das wie versteinertes Holz aussieht. „Es ist ein Knochen von einer Steller-Seekuh. Diese Art wurde um 1730 im Beringmeer entdeckt. Dreißig Jahre später wurde sie ausgerottet - die Seefahrer aßen sie. „Wie bei allen Meeressäugern sind die Knochen im Inneren nicht hohl, sondern voll. Sehr gute Qualität, die nur bedingt verfügbar ist. Ein Nicker mit Seekuh-Griffen hat seinen Preis, er kostet ab 450 Euro.

Beim Bollschen Jagdnicker gibt es übrigens keine Parierstange. Stattdessen schleift er Fingermulden in das Griffmaterial, die dafür sorgen, dass das Messer angenehm in der Hand liegt. „Wenn man konzentriert arbeitet, braucht man keinen Handschutz“, sagt er.

Er näht die Messerscheide aus Rindsleder. Es wird so hergestellt, wie es von den nordamerikanischen Indianern getragen wurde. Sie stecken es in die Innenseite des Gürtels und ziehen den Riemen, der außen an der Scheide befestigt ist, um den Gürtel. "Nicht zu verlieren." Das wäre auch ärgerlich, schließlich kostet der günstigste Jagdnicker mit Hirschhorngriff 300 Euro. "Sechs bis zehn Sauen lassen sich leicht mit einem Messer aufbrechen, bis sie geschärft werden müssen."

Aber es ist oft schwierig, ein neues Messer zu kaufen. „Das bringt kein Glück auf der Jagd“, sagen sie. Aber nichts wirklich Neues bei Bolls Messern - Diana wird auf jeden Fall ein Auge zudrücken.